Haifa 11.01.–18.01.2015

Wir, 13 Jugendliche aus Deutschland in Begleitung von zwei Lehrern und mir, reisten am 11. Januar abends in Haifa an. Herzlich wurden wir alle an der Bet Biram, unserer Partnerschule, empfangen und nach einem langen Moment der Wiedersehensfreude, wurde jeder von seinem Austauschjugendlichen in sein vorübergehendes, neues Zuhause gebracht.

Montagmorgens um 08:00 Uhr begann unsere Zeit in Israel mit einer Führung durch die Privatschule Bet Biram. Dabei wurde uns auch ein tiefgreifender Einblick in die Militärschule als ein Teil der Bet Biram gewährt. Es war faszinierend, wie viel an zum Beispiel Privatsphäre die Heranwachsenden, fast noch im Teenageralter, bereit waren aufzugeben und auch aufgegeben haben, um an der Militärschule zu sein.

Nach der Führung fanden wir uns alle im Theaterunterrichtsgebäude der Schule ein, um an einem von der israelischen Theaterlehrerin vorbereiteten Workshop teilzunehmen, der uns viel Freude bereitet und als Gruppe noch näher zusammengebracht hat. Anschließend aßen wir vor Ort Pita mit Falafel zu Mittag, womit wir die Jugendlichen entließen – sie wollten gemeinsam die Stadt Haifa erkunden und abends bowlen gehen.

Um 8 Uhr trafen wir uns am nächsten Tag an der Schule, um mit dem Bus zum Bet Hagefen zu fahren, dem arabisch-jüdischen Zentrum im Wadi-Distrikt. Auch dort erhielten wir eine Führung; viele von den Jugendlichen hatten Fragen zu der Beziehung zwischen Moslems und Juden in Israel, auf die sie dort Antworten bekommen konnten. Auch besuchten wir die dortige Kunstgalerie und diskutierten über einige Kunstwerke, die uns entweder besonders gefielen oder besonders schockierten. Danach ließen wir uns zur Deutschen Kolonie in Haifa führen, hörten uns die Geschichte der Templer an und gingen weiter zum Wadi Nisnas-Distrikt, der uns mit seinen zahlreichen Streetart-Stücken beeindruckte. Auch hier gab es besondere Werke, die uns zum Nachdenken, Fragenstellen und Unterhalten anregten. Zur späten Nachmittagszeit kamen wir wieder an der Bet Biram an. Die Jugendlichen entschieden sich, noch zusammen zum Grand Canyon, einem riesigen Einkaufszentrum, zu fahren.

Mittwochmorgens befanden wir uns auf dem Weg zum Kibbuz „Ramat Yohanan“ in der Nähe der Stadt Kiryat Ata. Zunächst hörten wir uns dort einen interessanten Vortrag einer Einwohnerin an – im Anschluss stellten wir unsere Fragen. Danach wurden wir durch den Kibbuz geführt: unter anderem durch die begrünte Wohngegend, den außerordentlich billigen Supermarkt, in dem nur Einwohner etwas kaufen konnten und sie nicht bar bezahlten, sondern das Geld einfach von ihrem Guthaben abgebucht wurde, die gemeinsame Waschküche, den riesigen Kuhstall, in dem die Kühe gemolken werden, bis zur Cafeteria, in der auch wir zu Mittag aßen. Viele, auch mich, hat es überrascht, was für eine unglaublich große Auswahl man hatte und wie ausgezeichnet das Essen schmeckte, wenn man doch täglich für so eine enorme Anzahl von Menschen kochen muss! Mit vielen Gedanken und neuen Eindrücken setzten wir uns in den Bus und fuhren in die Altstadt von Akko, in der wir über zwei Stunden frei verfügen konnten. Die Jugendlichen traten eine kleine Bootsfahrt an und durchstreiften danach den alten Markt. Als wir abends wieder in Haifa ankamen, stand noch ein besonderer Programmpunkt auf dem Plan: ein Besuch des Stadttheaters; aufgeführt wurde das Drama „Gute Nacht, Mom“. Das Ziel dieser Abendgestaltung lag darin, zu beobachten, wie viel jemand, der die Sprache nicht beherrscht, trotzdem verstehen kann – zum Beispiel anhand der Mimik oder des Tonfalls. Das Ergebnis dieses Experimentes war, zumindest für mich, beeindruckend: Ich begriff den Inhalt des Stückes, und da ich nicht die kleinen auflockernden Witze, die auf der Sprache basierten, verstehen konnte, nahm ich nur den unglaublich traurigen Grundgedanken wahr, und konnte nicht aufhören zu weinen.

Am 15. Januar, Donnerstag, verließen wir um 07:30 Uhr die Bet Biram. Wir waren auf dem Weg nach Tel Aviv. Als wir dort ankamen, sahen wir uns zuerst Sarona, eine Kolonie der deutschen Templer, an – auch hier hatten die israelischen Lehrer eine Führung für uns gebucht. Später am Nachmittag hatten wir Freizeit, die viele dazu nutzten, zu essen und Reiseandenken für ihre Familien und Freunde und auch für sich selbst zu kaufen. Obwohl in Tel Aviv das Programm nicht so eng durchorganisiert war wie an den anderen Tagen, waren wir trotzdem wieder gegen Abend zurück in Haifa.

Am Freitag war Kabalat Shabbat, das heißt, Freitag sollte nur ein halber Arbeitstag werden. Wir trafen uns wie gewöhnlich morgens in der Bet Biram; dort sahen wir uns einige Kurzfilme an, darunter eine Dokumentation über den ersten Deutsch-Israelischen Jugendaustausch – es war seltsam und gleichzeitig schön zu sehen, wie viel sich seitdem in der Deutsch-Israelischen Beziehung verändert hat. Nach einem erneuten Theaterworkshop, fuhr jeder nach Hause – es mussten Vorbereitungen für den Kabalat Shabbat getroffen werden. In der Familie, in der ich wohnte, fingen diese bereits am Donnerstag nach der Ankunft aus Tel Aviv an: Die Mutter hat gekocht. Berge von Essen. Die verschiedensten Gerichte. Für vier Gänge. Für mehr als zehn Menschen. Bis spät in die Nacht zum Freitag hat sie gekocht und nach dem Theaterworkshop fuhr sie damit fort. Es erschien mir als unglaubliche Ausnahmesituation, doch die Familie meinte, es wäre jede Woche das Gleiche. Und auf diese Arbeit folgte ein Mahl unbeschreiblichen Ausmaßes. Das war also Shabbat.

Da der Shabbat erst Samstagabend mit Einbruch der Nacht endet, ist der Samstag ein Ruhetag – wir hatten also kein vorgeschriebenes Programm. Daher weiß ich nur, was die zwei deutschen Lehrer und ich unternommen haben: Bei einem Tagesausflug nach Jerusalem besichtigten wir die Altstadt.

Unser zweiter Sonntag in Israel – vorerst auch unser letzter.

Wir frühstückten gemeinsam in der Schule und verabschiedeten uns voneinander. Vielen hat es in Israel so gut gefallen, dass sie auf jeden Fall den nächsten Urlaub dort verbringen möchten. Andersherum ebenfalls – die meisten Israelis können es nicht erwarten, wieder Deutschland und ihre neu gewonnenen Freunde zu besuchen. Ein Jugendlicher hat sich in Israel (oder jemanden aus Israel…) so verliebt, dass bereits Pläne mit den Eltern besprochen wurden, ein Auslandsjahr in Israel zu absolvieren.

Und ich? Ich werde die offenherzigen Israelis sehr vermissen, werde auf meine neu geschaffenen Erfahrungen Acht geben. Und ebenfalls definitiv wiederkommen.

Galina Kalenteva (19)

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